Im Hamburger Warburg-Skandal sind zum Nachteil des an angeblich laut eignen Aussagen an Amnesie leidenden Olaf Scholz neue Dokumente aufgetaucht. Sie belasten den feisten Bundeskanzler dieses Landes schwer und lassen noch mehr „Zweifel“ an seinen Erinnerungslücken aufkommen. Genosse und Ex-Linkenpolitiker Fabio De Masi ruft nun nach dem Staatsanwalt.
Genosse Scholz kann sich nicht erinnern. Ihn fehlt jegliche Erinnerung daran, ob er von einem sehr vorteilhaften Deal für die Warburg-Bank jemals gehört hat, der der Bank von der Hamburger Finanzverwaltung in den Jahren 2016 und 2017 – damals wirtschaftete Olaf Scholz in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister Hamburg in Grund und Boden – gewährt worden war. Ein Untersuchungsausschuss der Hansestadt sollte klären, ob führende SPD-Politiker in Scholz’ Zeit als Bürgermeister Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg-Bank genommen haben.
Die Hamburger Privatbank MM Warburg hat, wie viele andere Banken auch, mit den illegalen Cum-Ex-Geschäften Millionen verdient. Banker, Top-Anwälte und Steuerberater hatten sich jahrelang Steuern erstatten lassen, die sie zuvor nie gezahlt haben. Die Finanzverwaltung verzichtete Ende 2016 entgegen ursprünglicher Planung jedoch auf eine Rückforderung von 47 Millionen Euro gegen die Bank. Durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kamen Tagebücher des Warburg-Eigentümers Christian Olearius ans Licht. Darin beschrieb der Banker, der einflussreiche SPD-Politiker Johannes Kahrs und der frühere SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk hätten ihm Hilfe zugesagt. Zudem traf sich Olearius im fraglichen Zeitraum drei Mal mit Scholz. Laut Olearius soll es um Cum-Ex gegangen sein, Scholz führte seine sagenhaften Erinnerungslücken an und behauptete, sich nicht an die Inhalte der Gespräche zu erinnern.
Nun sind jedoch laut dem Spiegel dem Nachrichtenmagazin weitere Protokolle aufgetaucht, die für Amnesie-Olaf wirklich Probleme bedeuten könnten. Denn sie stellen Scholzens Lesart vom erinnerungstechnischen Blackout mehr als nur infrage. Schuld daran, dass es eventuell doch noch für jeden klar erkennbar wird, was für ein verdammter Lügner Scholz und seine Entourage sind: Ein Sitzungsprotokoll aus dem Finanzausschuss des Bundestages. Passagen aus dem Protokoll, das dem Wahrheitsblatt Spiegel vorliegt, stehen „offenkundig im Widerspruch zu öffentlichen Aussagen des Kanzlers“, so das Magazin.
Aus dem Dokument gehe hervor, dass sich Scholz bei einer Sitzung am 1. Juli 2020 an ein Gespräch mit Warburg-Eigner Christian Olearius erinnerte. Später indes behauptete der rote Kanzler dagegen stets, keine Erinnerung an den Termin zu haben, obwohl er ihn anhand seines Kalenders bestätigte. Scholz sagte dies zweimal als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft.
Der frühere Linke-Politiker Fabio De Masi fragt auf Twitter, ob der Staatsanwalt nun langsam mal aktiv werden sollte: „Ein Fall für die Staatsanwaltschaft? Die Hamburger Staatsanwaltschaft müsste eigentlich ein Ermittlungsverfahren einleiten.“ – „Wie in der CDU-Spendenaffäre Helmut Kohl müsste jetzt auch Olaf Scholz von der Staatsanwaltschaft vorgeladen werden, da er im Hamburger Untersuchungsausschuss behauptete keine Erinnerungen mehr zu haben, im Bundestag aber konkrete Erinnerungen an ein Gespräch schilderte.“
Es ist einer der größten Steuerdiebstähle in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Eine Hamburger Privatbank soll den deutschen Fiskus um einen dreistelligen Millionenbetrag erleichtert haben. Mit einem Steuertrick.
Es besteht seit Langem der Verdacht, dass der damalige Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz mit dafür gesorgt haben könnte, dass die Privatbank M.M. Warburg & Co. ihre Steuerschulden in Höhe von 170 Millionen Euro zunächst nicht zurückzahlen musste.
Mögliche politische Einflussnahme?
Scholz leugnet, dass er auf diese Entscheidung der Hamburger Finanzbehörde Einfluss genommen hat. Doch er musste bereits einräumen, dass er sich mehrmals mit dem Chef der Warburg-Bank, Christian Olearius, traf – in seinen Amtszimmern und auch bei Empfängen der Hansestadt. Was besprochen wurde, daran kann Scholz sich angeblich nicht erinnern.
Ob er sich privat mit dem Banker getroffen hat? "Nein, glaube ich", sagte er im August 2022 im Hamburger Untersuchungsausschuss zu der Affäre. Aber stimmt das wirklich?
Ein Aktenvermerk der Generalstaatsanwaltschaft Köln nährt nun zumindest Zweifel an der Darstellung des Kanzlers – das Dokument liegt t-online vor. Hat Scholz den Banker doch öfter und sogar privat getroffen?
Tagebücher des Bankers geben Aufschluss
Es ist der 10. November 2017, als sich Scholz und Christian Olearius, Chef der Warburg-Bank, im Amtszimmer des Ersten Bürgermeisters der Stadt Hamburg treffen. Olearius ist eine bekannte Persönlichkeit in Hamburg. Gut vernetzt bis in die obersten Kreise, gern gesehener Gast bei Stiftungen und auf der politischen Bühne.
Und er befürchtet damals, dass seine Bank Steuerschulden in dreistelliger Millionenhöhe nachzahlen muss. Wegen illegaler Cum-Ex-Geschäfte. Er will das mit aller Macht verhindern und nutzt seine politischen Kontakte. Er hat die Hoffnung, der Erste Bürgermeister Scholz könne ihm helfen.
Das geht aus Tagebucheinträgen des Bankers hervor. Diese Tagebücher sind erst im Laufe der Ermittlungen gegen den Banker zunächst in die Hände der Staatsanwaltschaft und später dann auch an die Presse gelangt. Olearius hatte darin alles sehr kleinlich notiert. Es wirkt wie aus einer anderen Zeit, dass er handschriftlich seine Tage festhält. Und er bringt den heutigen Kanzler Scholz damit mächtig in Bedrängnis.
Oder besser gesagt: Das macht der Investigativ-Journalist Oliver Schröm. Denn der liest in den Tagebüchern, dass Scholz sich mehrfach in seinem Amtszimmer mit dem Banker traf und fragt Scholz danach. Der gibt zunächst keine Treffen zu. Schröm veröffentlicht mit Kollegen dann einfach die Inhalte der Tagebucheinträge von Olearius. Danach räumt Scholz ein, Olearius ein paar Mal in seinem Amtszimmer und bei öffentlichen Veranstaltungen getroffen zu haben.
"Olaf Scholz sehr intransparent"
Über den Cum-Ex-Skandal hat Schröm zusammen mit Oliver Hollenstein mittlerweile ein Buch geschrieben: "Die Akte Scholz" heißt es. Er sagt: "In der gesamten Causa um den Cum-Ex-Skandal der Warburg-Bank war Olaf Scholz sehr intransparent."
So sehen es auch viele Politiker in Hamburg. Die dortige Bürgerschaft versucht seit knapp zwei Jahren, in einem Untersuchungsausschuss herauszufinden, ob Scholz anders als behauptet womöglich doch Einfluss auf die Verjährung der Steuerschulden nahm.
"Immer nur das einräumen, was gerade enthüllt wurde"
Zweimal war Scholz mittlerweile in den Untersuchungsausschuss geladen. Als Zeuge. Ein gefundenes Fressen für die Opposition, die dabei stets nach weiteren Treffen von Scholz und Olearius fragte, auch nach privaten. Denn sie witterte ihre Chance, den Kanzler womöglich der Lüge zu überführen. Doch bislang vergeblich. Er vermeidet konkrete Antworten. "Typisch Scholz, so hat er sich bislang meist verhalten. Auf Fragen nicht antworten und später immer nur das einräumen, was gerade enthüllt wurde", sagt Schröm dazu.
Mysteriöser Anrufer bei der Staatsanwaltschaft
Das Dokument, das diese Praxis nun womöglich ändern könnte, ist ein Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Köln über ein Telefongespräch.
Bei der Generalstaatsanwaltschaft hatte sich demnach Mitte August dieses Jahres ein Herr gemeldet – er wolle Angaben zum Cum-Ex-Verfahren machen, schreibt ein Staatsanwalt. Der Anrufer sagte, er habe erfahren, dass sich der Bundeskanzler nicht nur an den Terminen, die durch die Presseberichterstattung bekannt seien, mit Olearius getroffen habe, sondern auch beim Banker Christian Olearius in dessen Haus in Blankenese – einem wohlhabenden Stadtteil der Hansestadt.
Putzfrau will Scholz gesehen haben
Er sagt, er habe diese Information über "drei Ecken" erhalten, von jemandem, der die Putzfrau von Christian Olearius kenne. Die erzähle, Scholz bei einem Besuch erkannt zu haben. t-online kennt den Namen des Anrufers, nennt ihn aber nicht, um ihn zu schützen. Nur so viel: Er ist ein früherer Richter. Und er ist in Hamburg gut vernetzt und angesehen.
Die Staatsanwaltschaft Köln will sich zum neuen Erkenntnisstand nicht äußern. In der Antwort an t-online bittet der Sprecher der Staatsanwaltschaft um Verständnis, dass sie mit Blick auf den "zugrundeliegenden Vorwurf der Steuerhinterziehung und des damit verbundenen Steuergeheimnisses keine weitergehenden Auskünfte zum Verfahrensinhalt erteilen".
Hinweisgeber gibt Ermittlungstipps
Ermittlungen wären auf jeden Fall sehr einfach. Sagt zumindest der Hinweisgeber in dem Telefonat. Laut Vermerk empfiehlt er den Behörden, Nachbarn von Herrn Olearius anzusprechen, die in der Regel sehr auskunftsfreudig seien. Er nennt sogar die Firma, in der die Reinigungskraft arbeitet, und weist darauf hin, dass weitere Erkenntnisse auch in der Steuererklärung des Bankers zu finden sein müssten. Schließlich setze Olearius die Reinigungskosten sicherlich ab oder bezahle die Reinigungskraft selbst. Der hinweisgebende Richter meldete sich auf Nachfrage nicht bei t-online.
Das Kanzleramt reagiert schmallippig auf eine Anfrage von t-online: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu Vorgängen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Bundeskanzleramts nicht äußern", schreibt eine Sprecherin. Vorgänge, die die Person des Kanzlers betreffen, liegen offenbar nicht zwangsläufig im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramts. Doch auch das Abgeordnetenbüro von Olaf Scholz antwortet nicht auf eine Anfrage.
Anders als Christian Olearius. Er lässt seinen Anwalt mitteilen: "Olaf Scholz war nie bei Dr. Olearius (privat) zu Gast." Das "privat" steht in Klammern. Auf Nachfrage, ob es denn dienstliche Treffen in Olearius' Haus gegeben habe, antwortet der Anwalt zuächst nicht mehr. Aber er äußert selbst noch eine Vermutung: "Von einem Aktenvermerk" sei nichts, "aber auch gar nichts bekannt. Handelt es sich vielleicht um eine Erfindung oder eine Finte?"
Am 23. Dezember meldete sich der Anwalt Tage nach Erscheinen des Textes mit der Information, Olaf Scholz sei "auch nie dienstlich" bei Dr. Olearius zu Gast gewesen. Das habe er bereits in einer Mail am 15. Dezember auf die Nachfrage mitgeteilt. Eine solche Mail hat t-online nicht erreicht. Das Wort "privat" sei in der ersten Mail Klammern in gesetzt worden, da man die Nachfrage erwartet habe und sie habe überflüssig machen wollen.*
Die Generalstaatsanwaltschaft nahm den Hinweis laut Vermerk auf jeden Fall ernst. Denn dort steht auch, dass der Telefonvermerk dem zuständigen Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Köln weitergeleitet werden soll. Zur "weiteren Veranlassung".
Gerhard Strate ist Strafrechtler und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Cum-Ex-Skandal. Er hatte Olaf Scholz aufgrund von Falschaussagen zu den Treffen mit Olearius schon angezeigt. Doch die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht.
Zu dem exklusiven Vermerk, der t-online vorliegt, und dem daraus entstehenden Verdacht, dass Scholz doch noch weitere Treffen mit dem Warburg-Banker hatte, sagt er, es müsse nun endlich gegen Scholz ermittelt werden. Und auch geprüft werden, was an den neuen Vorwürfen dran ist. "Es ist eindeutig, dass die derzeitige Erzählung des Kanzlers nicht stimmt", ist er überzeugt."
Verwendete Quellen
Geheimer Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Köln
Buch: "Die Akte Scholz", Ch. Linksverlag, Autor: Oliver Schröm und Oliver Hollenstein
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